Dienstag, 15. Januar 2019

Buchvorstellung: ••• SÖLDNERZWIELICHT••• von Stefan Burban


Hallo liebe Büchereulen,

in der heutigen Woche werde ich einen Genre-Wechsel bei den Buchvorstellungen vornehmen.
Es wird ein Stück fantasyreicher, genau genommen geht MeinLesezauber heute in  den Bereich Science Fiction.

In diesem Genre ist alles möglich! Und es gibt einen deutschen Autor, der sich hier bestens auskennt.
Sein Name, STEFAN BURBAN. :-)

Macht euch mit Kilian auf die Reise ...



••• SÖLDNERZWIELICHT  •••



Klappentext:
Drei Jahre ist es her, dass Hauptmann Ciran Talbert in der Schlacht von Kirantal fiel und Kilian dessen Kommando erbte. Der Söldner kommandiert nun mehr als dreitausend gut ausgebildete käufliche Kämpfer. Als er eine junge Frau vor einer Horde untoter Ritter rettet, biete diese ihm einen neuen Auftrag an. Im Gegenzug für ihre Waffendienste sollen die Söldner reich belohnt werden. Dass sein Gegenspieler eine mächtige Zauberin sein soll, hält Kilian nicht ab. Die Söldner machen sich auf den Weg, der bedrängten und bereits seit einem Jahr belagerten Stadt Arysella beizustehen. Doch bereits auf dem Weg dorthin lernt Kilian eine wichtige Lektion des Krieges. Eine Lehre, die er eigentlich längst hätte wissen müssen: In einem Krieg sind die Dinge nur selten, wie sie zu sein scheinen …








Über den Autor:
Der am 22.08.1975 geborene Stefan Burban entdeckte schon früh seine Zuneigung zur phantastischen Literatur. Vor einigen Jahren wurde er freiberuflicher Autor.
Er bereitete über viele Jahre akribisch seine Debüt-Serie, die Military-SF-Reihe "Der Ruul-Konflikt" vor. Im März 2008 veröffentlichte er schließlich im Langlhofer Verlag seinen ersten SF-Roman "Tödliches Kreuzfeuer", der ebenfalls im Ruul-Konflikt-Universum spielt.

Der Atlantis Verlag begann ab Juni 2010 in regelmäßigen Abständen mit der Veröffentlichung der Serie.

Infos zum Buch:
Autor: Stefan Burban
Verlag: Atlantis Verlag
Genre: Fantasy/Science Fiction
Ersterscheinung: 15. Januar 2019

Format: Taschenbuch
Preis: 13,90 €
Seitenzahl: 504 Seiten
ISBN: 978-3-8640-2634-8

Format: eBook
Preis: 8,99 €
Seitenanzahl: 367 Seiten
Dateigröße: 4054 KB
ASIN: B07J46HYSZ


Den Link zu Suzi´s Rezension zu "Im Zeichen der Templer" habe ich euch einmal eingefügt.

Dieses Buch hat von uns die beste bestmögliche Bewertung bekommen. Lest nach, warum. ;-) Burban, Stefan - Im Zeichen der Templer
Um euch aber SÖLDNERZWIELICHT ein wenig "schmackhaft" zu machen, gibt es unterhalb dieses Posts eine erste Leseprobe für euch.


Eure Romy


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☆¸.•°*”˜☆˜”*°•☆☆¸.•°*”˜☆˜”*°•☆ Leseprobe ☆¸.•°*”˜☆˜”*°•☆☆¸.•°*”˜☆˜”*°•☆


Prolog
Bianca rannte, so schnell ihre Beine sie trugen. Ihr Atem ging nur noch stoßweise und jede Faser ihres Körpers schrie nach einer Pause. Doch in­nezuhalten, bedeutete den Tod. Sie wusste es. Ihre Begleiterinnen wussten es. Ihre Verfolger wussten es.

Sie wagte es nicht, sich umzusehen. Sie hörte den keuchenden Atem ihrer fünf Freundinnen. Es war der einzige Hinweis darauf, dass sie nicht allein war. Zweiundzwanzig waren von Arysella aufgebrochen. Nun zählten sie nur noch sechs. Ihre Verfolger waren erbarmungslos und hetzten ihre Beute wie eine Meute wilder Hunde.

Hinter ihr schrie jemand schrill auf. Sie erkannte die Stimme. Sie ge­hörte Emma. Dem Schrei folgte eine beinahe unnatürliche Stille. Trauer griff nach ihrem Herzen und drohte es in einer eisigen Klammer zu erdrü­cken. Emma war eine enge Jugendfreundin gewesen. Bianca erinnerte sich gut daran, wie sie als Kinder gespielt und gemeinsam den Jungs in der Nachbarschaft nachgestellt und erste Erfahrungen gesammelt hat­ten. Nun war sie tot und Wut benebelte ihren Geist wie ein blutroter Nebel.

Sie schob jeden Gedanken an Umkehr und Rache beiseite. Nur die schlichte Wahrheit, dass noch viel mehr Menschen den Tod finden wür­den, wenn sie jetzt gedankenlos handelte, hielt sie davon ab, etwas Dum­mes zu tun.

Sie musste weiter. Sie musste Hilfe finden. Oder Arysella war verloren. Und jeder Einwohner innerhalb seiner Mauern. Ihre Füße schmerzten. Sie bluteten bereits. Das würde eine Spur hinterlassen, der ihre Feinde würden folgen können. Doch daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern. Sie hatte einen Schuh während ihrer überstürzten Flucht verloren. Den anderen hatte sie zurückgelassen, um nicht behindert zu werden.

Der Wald schien mit jedem Schritt dunkler zu werden, obwohl sie sich seinen Grenzen näherten und es mitten am Tag war. Der Gegner setzte

Magie gegen sie ein. Er wollte sie verwirren, daran hindern, den Wald lebend zu verlassen. Der Weg voraus gabelte sich.

Bianca hielt verwirrt inne. Hier sollte es keine Kreuzung geben. Sie atmete tief ein. Ihr Blick glitt von einer zur anderen Seite und zurück. Sie kannte den Weg besser als den Inhalt ihrer Taschen. Was zum Teufel ging hier vor?

Ihre vier überlebenden Begleiterinnen versammelten sich um sie. Alle kamen nur mühsam wieder zu Atem. Die Schwerter und Dolche, die sie als Waffen führten, wirkten seltsam fehl am Platz in den Händen der vier Frauen.

Bianca sah hinab und musterte ihre eigene Klinge. Hautfetzen des Gegners, den sie nur wenige Minuten zuvor brutal abgestochen hatte, beschmierten den ansonsten makellos blanken Stahl. Einige der Fetzen tropften zu Boden. Sie packte den Dolch so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

»Wo jetzt lang?«, fragte Mia, eine kleine Brünette. Ein knackender Zweig hinter ihnen ließ die Frau herumfahren. Mia war schon immer schreckhaft gewesen. Bianca rümpfte leicht die Nase. Eigentlich seltsam. Sie hatte immer geglaubt, Mia wäre die Erste, die es erwischte.

Biancas Blick zuckte erneut zwischen den beiden Möglichkeiten umher. Schließlich deutete sie auf den rechten Weg. »Dort entlang«, meinte sie. Sie bemühte sich, den Anschein von Vertrauen bei ihren Mitstreiterinnen zu erwecken. Tatsächlich riet sie nur. Alles war besser, als hier auf den Tod zu warten.

Bevor sich die fünf Frauen erneut in Bewegung setzen konnten, wurden die Bäume um sie herum plötzlich lebendig. Sie bewegen sich von einer Seite zur anderen. Ihre Äste peitschten durch die Luft. Bianca wurde so hart an der linken Wange getroffen, dass sie zur Seite taumelte. Ihre linke Gesichtshälfte brannte wie Feuer.

Einer der Äste wickelte sich mit einem Mal um Mias Hals. Die Frau versuchte zu schreien, aber alles, was ihrer Kehle entsprang, war ein heiseres Krächzen. Ihre Freundinnen eilten herbei, um sie zu befreien. Doch noch bevor sie die Unglückselige erreichten, riss der Baum den Ast in die Höhe und Mia verschwand unter dem Blätterdach außer Sicht.

Sie hörten die arme Mia nicht einmal schreien. Sie vernahmen einzig ein trockenes Knacken, als würde jeder Knochen in ihrem Leib brechen.

»Weiter!«, schrie Bianca und setzte sich behände in Bewegung. Sie hoffte, ihre drei verbliebenen Freundinnen würden nicht zögern und ihr folgen. Mias Tod war bedauerlich, es würde allerdings niemandem helfen, wenn sie bei dem vergeblichen Versuch, sie zu retten, ebenfalls das Leben verloren. Mia war ohnehin schon tot, davon war Bianca überzeugt.

Sie rannten weiter. Ella starb als Nächste. Bianca erfuhr nie, was die etwas mollige Frau mit den rotblonden Locken erwischt hatte. Sie war schlichtweg nicht mehr da, als Bianca fünfzehn Minuten nach Mias Tod innehielt, um sich neu zu orientieren.

Bianca, Sophie und Lilly sahen sich in alle Richtungen um. Der Wald schien auf bedrohliche Weise näher zu kommen. Inzwischen musste selbst die Vegetation als feindlich eingestuft werden.

»Haltet durch!«, sprach Bianca ihren Freundinnen Mut zu. »Es kann nicht mehr weit sein.«

»Wir schaffen es nicht«, jammerte Sophie. »Wir sind alle tot.«

»Halt die Klappe!«, fuhr Bianca sie an. »Wir sind nicht tot. Wir werden überleben. Für Arysella.«

»Seht!«, ging Lilly unvermittelt dazwischen. Bianca und Sophie folgten gleichzeitig dem Wink ihrer Freundin. Zwischen den Bäumen tauchten dunkle Gestalten auf. Gehüllt in Rüstungen und mit Helmen ausgestattet, waren sie von Kopf bis Fuß gepanzert und die Gesichter hinter den Vollvi­sieren verborgen. Die Gestalten zogen blank. Ihre Schwerter wirkten wie Metall gewordene Dunkelheit. Selbstbewusst traten sie aus den Schatten den drei Frauen entgegen.

Bianca konnte nur vier sehen, doch das bedeutete nicht, dass sich in den alles verzehrenden Schatten nicht noch mehr Gegner verbargen.

Lilly wandte sich ruckartig in Biancas Richtung und sagte lediglich ein einzelnes Wort: »Lauf!« Sie wandte sich erneut den verhüllten Angreifern zu und griff mit einem wilden Aufschrei an, ihr Schwert zum tödlichen Stoß erhoben. Sophie zögerte lediglich eine Sekunde länger, bevor sie sich Lillys Angriff anschloss.

Bianca taumelte zwei Schritte rückwärts, während ihre Freundinnen sich ein tödliches Duell mit ihren Verfolgern lieferten. Ein Duell, das die beiden unmöglich gewinnen konnten. Lillys Klinge prallte vom Schulter­schutz eines feindlichen Kämpfers ab. Der Aufprall genügte jedoch, um diesen kurzzeitig aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Bianca biss die Zähne zusammen. Ihre Freundinnen opferten sich. Sie durfte dieses Opfer nicht vergeuden. Sie drehte sich um und rannte davon. Hinter ihr erklang das Geräusch von Stahl auf Stahl.

Die Kampfgeräusche hielten noch mehrere Augenblicke an, bevor sie endgültig verstummten. Bianca stieß einen erstickten Laut aus. Ihre Freundinnen waren gefallen. Sie war allein.

Der Weg endete mit schockierender Plötzlichkeit. Sie zwängte ihren schmächtigen Körper durch das Unterholz. Zweige und Äste kratzten über ihren Körper, fügten ihr unzählige kleine Wunden zu. Als würden sie versuchen, sie aufzuhalten. Nach allem, was sie in den letzten Tagen erlebt hatte, war dies sehr gut möglich. Doch sie kämpfte sich weiter und immer weiter. Sie vermochte nicht einmal mehr zu sagen, ob sie überhaupt in die richtige Richtung lief.

Sie stolperte blutüberströmt durch einen Hain aus Dornenbüschen und mit einem Mal umfing sie helles Tageslicht. Es geschah so überraschend, dass Bianca ihre Augen reflexartig zusammenkniff. Sie hob die Hand, um ihre Pupillen zu schützen. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an das Licht.

Sie befand sich auf einer weiten Ebene. Die Straße, die sie im Verlauf ihrer Flucht verloren hatte, führte nur wenige Meter zu ihrer Rechten aus dem Wald nach Westen. Sie hatte die Straße lediglich um ein paar Meter verfehlt. Doch das bisschen hatte genügt und ihre Freundinnen und beinahe auch sie selbst das Leben gekostet.

Bianca fühlte sich unendlich schwach. Sie wollte sich am liebsten hinlegen und einfach nur ausruhen. Doch sie wusste, dass sie sich noch immer nicht in Sicherheit befand. Sie stolperte unsicher weiter. Sie musste Hilfe finden. Schnell. Sonst war auch sie des Todes.

Hinter ihr dröhnte das Schallen mehrerer Hörner durch die Luft. Ihre Verfolger wussten, dass Bianca deren Falle vorerst entkommen war. Sie riefen ihre Kameraden zur Jagd. Die Frau stolperte unsicher weiter. Sie folgte der Straße, in der Hoffnung, sie möge sie irgendwohin führen, wo es sicher war. Auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wo dies im Augenblick sein konnte.

Kilian hob Aufmerksamkeit heischend die Hand, aber es kam nur langsam Ruhe in die Menge vor ihm. »Beruhigt euch!«, mahnte er immer wieder an. »Beruhigt euch doch!«

Niemand schien so recht auf ihn hören zu wollen. Die hartgesottenen Söldner, die sich um ihn versammelt hatten, redeten wirr durcheinander und warfen Kilian böse Blicke zu. Dieser stand auf einem Fass inmitten des Feldlagers und musterte die Szenerie mit wachsender Frustration.

Der einäugige Söldner Kelgan stand mit vor der Brust verschränkten Armen neben ihm. Kilian war sich nicht sicher, ob der Krieger ähn­lich frustriert oder eher amüsiert auf ihn wirkte. Letztendlich kam er zu dem Schluss, dass es sich um eine Mischung aus beidem handeln musste.

Schließlich löste Kelgan seine verkrampfte Haltung, führte eine Hand zum Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Die Menge verstummte schlagartig.



Kilian seufzte vor Erleichterung und wandte sich Kelgan halb zu. Der einäugige Söldner diente inzwischen als einer seiner Hauptleute. Trotz seiner oftmals lautstarken, polternden Art – oder vielleicht auch gerade deswegen – genoss er den Respekt der Männer. Vermutlich aber hatten die meisten schlichtweg Angst vor ihm. Welche der beiden Möglichkeiten auch zutreffen mochte, Kilian war froh, dass der Mann für Ruhe und Ordnung sorgte.

Kilian wandte sich an seine versammelten Krieger. »Ich weiß, ihr seid nicht glücklich mit unserer momentanen Situation.«

»Wann werden wir endlich bezahlt?«, rief jemand aus der Menge. Kilian konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Der Sprecher ging in der gesichtslosen Masse vor ihm komplett unter. Doch sein Einwurf wurde begeistert aufgenommen. Dutzendfach schrien die versammelten Männer durcheinander und ließen Kilian kaum zu Wort kommen.

Kelgan, der einäugige Söldner, der bereits unter Ciran Talbert in der Truppe gedient hatte, trat entschlossen vor. Seine tonnenhafte Brust wölbte sich bedenklich, als der hünenhafte Krieger Luft holte.

»Ruhe!«, brüllte er so laut, dass selbst hartgesottene Söldner erschro­cken zusammenzuckten. Allmählich kehrte tatsächlich Ruhe ein. Nie­mand wollte sich mit dem Mann anlegen. Kilian nickte Kelgan erleichtert zu.

Der Söldnerhauptmann seufzte tief, bevor er erneut das Wort ergriff. »Ich weiß, die Dinge stehen gerade nicht zum Besten. Es mangelt an Aufträgen und ohne Aufträge kommt kein Gold herein. An eurer Stelle würde mir aber mehr zu denken geben, dass es ohne Gold auch keine Vorräte gibt und dadurch nichts zu beißen.«

Silas trat an seine Seite und stieß ihm verstohlen in die Rippen. »Was machst du denn?«, wisperte der Barde.

»Ich will, dass sie wissen, worauf sie sich einließen, als sie sich uns anschlossen«, flüsterte er zurück.

Mittlerweile gärte es in der Menge gefährlich. Kilian war nicht entgan­gen, dass sich ein unzufriedener Unterton in das Gewisper der Söldner schlich.

»Gratuliere«, meinte der Barde sarkastisch. »Ich glaube, das ist dir gelungen.«

Kilian ignorierte seinen Freund und hob Einhalt gebietend beide Hände. »Aber wir sind derzeit dabei, das Problem zu beheben. Wir haben einen Auftrag in Aussicht.«

Sowohl Kelgan als auch Silas warfen Kilian ungläubige Blicke zu. Silas trat sogar noch einen Schritt näher an die Seite des Söldnerhauptmannes. »Haben wir?«

»Nein, aber irgendetwas muss ich ja sagen.«

»Das heißt aber nicht, dass du sie anlügen sollst. Wenn die dahinter­kommen, dass an der Aussage nichts dran ist, dann lynchen sie uns.« »Bis dahin tut sich schon was auf.«

Bei der Erwähnung eines neuen Auftrags trat gieriges Funkeln in die Augen mehrerer Söldner. Kilian räusperte sich. »Es müssen noch die Einzelheiten geklärt werden, aber in einigen Tagen kann ich euch mehr darüber erzählen. Bis dahin habt Geduld und bleibt ruhig.« Kilian legte etwas mehr Autorität in seine Stimme. »Und jetzt verschwindet!«

Die Söldner wechselten verhaltene Blicke, doch der Mob löste sich langsam auf. Die meisten zogen sich in ihre Zelte zurück, einige be­gannen damit, verschiedene Kartenspiele zu spielen, wiederum andere diskutierten das soeben Gehörte.

Kilian seufzte erneut und trat von dem Fass. »Katastrophe abgewehrt«, meinte der Söldnerhauptmann und zeigte mehr Zufriedenheit, als er tatsächlich verspürte.

»Ja, vorerst«, erwiderte Kelgan. »Bis sie herausfinden, dass du gelogen hast. Talbert hat seine Leute nie belogen.«

»Und Talbert ist tot, richtig⁈«, fuhr Kilian seinen Offizier halb im Scherz an.

»Das lag aber nicht daran, dass er die Wahrheit gesagt hat«, ging Kelgan darauf ein.

Kilian fuhr sich mit der Hand über das nur unzureichend rasierte Kinn. »Wie viele Mäuler haben wir inzwischen zu stopfen?«

»Etwa dreitausend«, antwortete Silas mit verkniffener Miene.

»Wohl eher so etwas um die dreitausendfünfhundert«, korrigierte Kelgan und rückte seine Augenklappe zurecht.

Kilian riss die Augen auf. »Dreitausendfünfhundert?«

Kelgan zuckte die Achseln. »Wir sind immer noch berühmt. Seit unse­rem kleinen Ausflug ins Moyrigebiet.«

»Das ist fast drei Jahre her.«

»Die Leute vergessen eben nicht so schnell. Unsere Söldnereinheit wurde über Nacht weithin bekannt. Und das zieht eine Menge Krieger an, die davon profitieren wollen. Konnte ja keiner ahnen, dass uns so eine Flaute heimsucht.«

Silas schnaubte. »Nach deiner kleinen Ansprache machen sich mit Sicherheit ein paar aus dem Staub.«

Kilian neigte leicht den Kopf zur Seite. »Wäre gar nicht so schlecht. Weniger Mäuler zu stopfen, weniger Probleme. Würden wir sie selbst wegschicken, gäbe es innerhalb kürzester Zeit eine Meuterei. Dann wüss­ten alle, dass wir sie nicht bezahlen können.«

»Was tun wir also, oh großer und mächtiger Anführer?«, scherzte Silas.

Kilian überlegte. Aus Richtung des Versorgungszelts legte sich der Duft des Frühstücks über das Lager. Es roch wie eine Mischung aus altem

Schuhleder und seit drei Tagen toten Ratten. Wie er den Koch kannte, befand sich beides im Überfluss im Kochtopf. Der Geruch stellte eine unangenehme Erinnerung an ihre prekäre Versorgungslage dar.

Kilian schnalzte mit der Zunge. »Silas, du bleibst hier und hältst die Leute bei Laune. Die Moral muss etwas gehoben werden. Tu, was du kannst.«

Silas schmunzelte. »Wie du willst, aber dir sollte klar sein, dass ich zwar ein paar Zauberkunststücke beherrsche, aber keine Wunder vollbringen kann.« Mit einer Zuversicht und einem vergnügten Gesichtsausdruck, den Kilian nicht so recht nachempfinden konnte, schlenderte der Barde davon.

Kilian wandte sich Kelgan zu. »Such Ekart und Quan. Wir treffen uns in einer Stunde am nördlichen Lagerausgang. Wir machen einen kleinen Spaziergang nach Lleard. Wir brauchen ganz dringend einen Auftrag.«

Lleard war ein Dreckloch, in dem sich jeder erdenkliche Abschaum tum­melte. Die Stadt gehörte weder einem der großen Königreiche an noch gehörte sie zum Bund der Stadtstaaten. Sie stand noch nicht einmal für sich selbst. Lleard wurde von Straßenbanden regiert. Die Stadt war in acht Reviere aufgeteilt.

In Lleard wurde jedes nur erdenkliche Geschäft getätigt, vom einfachen Diebstahl bis hin zum ausgewachsenen Sklavenhandel. Zwischen den acht Konkurrenten kam es in regelmäßigen Abständen zu regelrechten Kriegen über die Kontrolle einzelner Geschäftszweige der Stadt. Zwi­schen einzelnen Banden wurden Allianzen geschlossen und kurz darauf gebrochen, nur um anschließend neue Allianzen einzugehen. Auch wenn mal die eine, dann wieder die andere Bande die Oberhand zu haben schien, die Grenzen der acht Reviere änderten sich so gut wie gar nicht. Der Status quo blieb erhalten.

Lleard befand sich südlich des Königreichs Varys und östlich des Bunds der Stadtstaaten. Aufgrund seiner geografischen Lage und des völligen Fehlens einer übergeordneten Autorität, suchten hier relativ viele Auftrag­geber nach Söldnern, die bei der Bewältigung verschiedenster Aufgaben nicht viele Fragen stellten. Wenn es für Kilians Truppe einen Auftrag zu ergattern gab, dann hier.

Kilian musterte den vor ihm sitzenden Mann eindringlich. Der paus­bäckige Händler benötigte beinahe zwei Stühle, damit sein Arsch einen Platz zum Sitzen fand. Der Söldnerhauptmann bedachte ihn mit verächt­lichem Blick. Das lag jedoch nicht an dessen Erscheinungsbild, sondern an dessen Anliegen.

Kilians Blick zuckte kurz nach links und anschließend nach rechts. Ekart und Kelgan standen leicht versetzt zu beiden Seiten Kilians und ließen die Leibwächter des Händlers nicht aus den Augen. Beide schüttel­ten andeutungsweise den Kopf. Er war erleichtert. Ihre Meinung deckte sich mit der seinen.

Kilian räusperte sich. »Ich bitte um Entschuldigung, Meister Dequnor«, begann er, »doch ich befürchte, für derlei Aufträge stehen wir nicht zur Verfügung.«

Dequnor zwinkerte kurz und auf entnervende Art und Weise, als könne er nicht fassen, was er da gerade zu hören bekam. »Ist es die Bezahlung?«, hakte er nach. »Ich kann noch einen Bonus drauflegen.«

Kilian seufzte. »Sie wollen, dass wir Ihre Konkurrenten und deren Familien ausschalten. Das ist nicht die Art Auftrag, die wir bevorzu­gen.«

»Vor allem die Sache mit den Familien«, ergänzte Ekart. Die Augen des Bogenschützen blitzten kampflustig. Der Mann war ein Familienmensch. Selbst wenn man dies nicht wusste, konnte man es sich durchaus auf den ersten Blick vorstellen. Der Bogenschütze aus den Stadtstaaten wäre an jedem beliebigen Ort sofort als Wunschschwiegersohn der meisten Mütter durchgegangen. Ekart hatte seinen Bruder in der Schlacht um Kirantal verloren. Auch nach drei Jahren schmerzte ihn der Verlust immer noch. Ekart trug als Andenken etwas von Perens Asche in einem Beutel um den Hals. Den Rest hatte er in der Wüste nahe Kirantal verstreut. Er sollte für immer ein Teil der Stadt sein, die er gegen Dys Bollner zu verteidigen geholfen hatte.

Dequnor sah zu dem Bogenschützen auf, als würde er ihn erst jetzt wahrnehmen. Stirnrunzeln zogen tiefe Furchen unter seinen Haaransatz. Er wandte sich erneut Kilian zu. Sich mit Ekart abzugeben, war eindeutig etwas, das er als unter seiner Würde ansah.

»Eure Leute sind recht zimperlich.«

»Aber sie sprechen mir aus dem Herzen«, versetzte Kilian ungerührt.

Dequnor öffnete den Mund, um etwas einzuwenden, doch Kilian fun­kelte den Mann an und kam ihm zuvor. »Geht! Sofort!«

Die Leibwächter des Händlers wurden langsam unruhig. Kelgan lockerte die zweischneidige Axt auf seinem Rücken. Dequnors Leib­wächter warfen dem Hünen vorsichtige Blicke zu. Sie waren nicht erpicht darauf, sich auf ein Tänzchen mit dem geübten Kämpfer einzu­lassen.

Dequnor entschied sich zum Glück, es dabei bewenden zulassen. Ohne einen weiteren Gruß erhob er sich und stolzierte großspurig davon.

»Das wird seine Konkurrenten und deren Familien nicht retten«, mein­te Kelgan, als er den Rücken des Händlers mit Blicken durchbohrte.

»Nein«, stimmte Kilian zu. »Aber wenigstens werden nicht wir die Mörder sein.«

Kilian erhob sich und legte zwei Bronzemünzen für die Bedienung auf den Tisch. Er schürzte die Lippen und verließ die Taverne, seine beiden Offiziere im Schlepptau. Er dachte mit Wehmut an die beiden Münzen zurück. Es waren seine letzten gewesen.

»Der Lösung unseres Problems sind wir keinen Schritt näher gekom­men«, murmelte Ekart verdrossen vor sich hin.

»Ohne Auftrag kehren wir nicht zur Truppe zurück. Das wäre nicht ratsam.«

»Es wäre unser Todesurteil«, schnaubte Kelgan unpassend heiter. Kilian warf ihm einen schrägen Blick zu. »Ganz so schlimm würde es schon nicht werden.«

»Oh, doch!« Kelgan nickte enthusiastisch. »Und das würde richtig schnell gehen.«

Kilian seufzte. »Vielleicht hat Quan eine Geldquelle aufgetan.«

Der Schwertkämpfer aus dem Osten war auf eigenen Wunsch allein losgezogen. Kilian hegte nicht viel Hoffnung, dass jemand ihm genug vertrauen würde, um ihm einen lukrativen Auftrag anzubieten.

Die Menschen von Lleard waren ein eigenbrötlerischer Haufen, und was Menschen anging, die ganz offensichtlich aus einem anderen Teil der Welt stammten ... nun ja ... sie neigten eher dazu, sie auszurauben und umzubringen, als ihnen Söldnerkontrakte anzubieten.

Das Trio erreichte die Straßenecke, an der sie sich mit Quan verabredet hatten. Doch von dem Schwertkämpfer fehlte jede Spur.

»Sind wir hier überhaupt richtig?«, wollte Kilian unnötigerweise wis­sen.

Kelgan warf ihm einen eindeutigen Blick zu und ersparte sich damit den Kommentar, wie unnötig die Frage gewesen war.

»Hoffentlich ist ihm nichts passiert!«, warf Ekart ein.

Kilian schüttelte den Kopf. »Wehe dem, der dem schrägen Kauz an den Kragen will. Da mache ich mir eher Sorgen um seine Angreifer.«

Plötzlich zerriss der Schrei einer Frau die Luft. Kilian stutzte. Sie schrie noch einmal. Keiner der Passanten nahm davon Notiz. Die Menschen hier waren derlei Geräusche anscheinend gewohnt. Sie nahmen keinerlei An­teil mehr am Leid ihrer Mitmenschen. Kilian verfluchte sie. Er wünschte, sie wären nie hierhergekommen.

Die Frau schrie erneut. Kilian spitzte die Ohren. »Wo kam das her?«

Die drei Söldner warteten angespannt. Als die unbekannte Frau wie­derum schrie, deutete Ekart nach Süden. Kilian verlor keine Zeit. Er setzte sich in Bewegung und lief auf die Schreie zu. Sie wurden allmählich pani­scher. Er musste sich gar nicht umsehen, um zu wissen, dass seine zwei Freunde dicht hinter ihm blieben.

Auf ihrem Weg passierten sie mehrere Gruppen Bewaffneter, deren Armbinden sie als zur hiesigen Straßenbande gehörig auswiesen. Doch keiner von ihnen rührte auch nur einen Finger, um der in Bedrängnis geratenen Frau zu helfen.

Kilian spuckte angewidert aus. Der Abschaum der Straße tat nichts, solange nicht die eigenen Interessen bedroht waren. Die drei Söldner blieben kurz stehen, um sich zu orientieren. Erneut hallte der Schrei der Frau durch die Luft.

»Da!« Ekart deutete auf eine schmale Seitengasse. Die Schreie kamen eindeutig von dort. Die drei Söldner setzten sich eilig erneut in Bewe­gung. Je näher sie kamen, desto deutlicher traten Kampfgeräusche in den Vordergrund: heftiges Keuchen und Stahl, der auf Stahl schlug.

Kilian blieb am Eingang der Gasse schlagartig stehen. Eine junge Frau wurde von vier in schwarze Rüstung gehüllten Kriegern bedrängt. Das Gesicht der Männer waren hinter dem Helm mit Vollvisier nicht zu er­kennen. Jeder von ihnen trug ein Langschwert in der einen und einen gefährlich anmutenden Dolch in der anderen Hand. Die Frau schwang ihre eigene Klinge mit beeindruckendem Geschick. Sie bemühte sich, ihre Angreifer auf Abstand zu halten. Diese waren davon jedoch keines­wegs beeindruckt. Sie kamen mit geschmeidigen Bewegungen näher und kreisten die Frau immer weiter ein.

Ohne Zögern zückte Kilian seine Klinge, Kelgan weniger als eine Se­kunde später seine Axt. Beim Geräusch gezogener Waffen wandten sich drei der Angreifer um. Kilian lief ein Schauder über den Rücken. Un­gewöhnlich helle – ja fast gänzlich weiße – Pupillen blitzten durch die Visierschlitze. Sie wirkten bar jeglicher menschlicher Regung.

Die drei Kämpfer schlenderten ohne Eile auf die drei Söldner zu, wäh­rend ihr verbliebener Kamerad weiterhin die Frau in die Ecke drängte.

Ekart zog einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn auf die Sehne, zielte und ließ ihn fliegen, alles in einer einzigen geschmeidigen Bewegung.

Der Pfeil suchte und fand zielstrebig eine Lücke zwischen Brustpanzer und Armschiene und drang dem Mann tief ins Fleisch. Dieser wurde aber weder in seiner Bewegungsfreiheit behindert noch vermittelte er den Eindruck, das Geschoss überhaupt zu bemerken.

Kilian warf sich mit einem Kampfschrei den Angreifern entgegen. Er schwang sein Schwert in hohem Bogen. Der Krieger wehrte den Schlag jedoch mühelos ab und trieb den Söldnerhauptmann stattdessen mit wenigen wilden Hieben vor sich her und zurück zum Eingang der Gasse.

Rechts von sich hörte er Kelgan keuchen, der sich mit seiner Axt der zwei anderen Angreifer erwehrte. Kelgan war kein Kämpfer, mit dem sich jemand leichtfertig anlegen sollte, doch selbst dieser Hüne schien mit diesen seltsamen Kriegern so seine liebe Not zu haben.

Ekart zog sich hinter die Kämpfenden zurück. Er verschoss Pfeil um Pfeil. Die meisten prallten von der dicken Rüstung ab, aber auch dieje­nigen, die ihr Ziel trafen, zeigten keinerlei Wirkung bei den feindlichen Kriegern.

Kilian warf einen kurzen Blick an der Schulter seines Gegners vor­bei. Die Bewegungen der Frau erlahmten, ihre Hiebe wurden immer unkoordinierter. Ihr Gegner dagegen blieb weiterhin so geschmeidig und behände wie zu Beginn des Kampfes.

Kilian war nur für einen Sekundenbruchteil unaufmerksam. Dies ge­nügte seinem Gegner völlig: Brutal schlug er Kilians Klinge beiseite und stieß ihn mit einem wütenden Tritt zu Boden.

Kilian wollte Distanz zu seinem Gegner aufbauen und kroch von die­sem weg, doch der Angreifer verspürte nicht die geringste Absicht, dies zu gestatten. Siegessicher folgte er dem Söldnerhauptmann. Drei von Ekarts Pfeilen prallten von dem Harnisch des Kriegers ab. Dann endlich erzielte Ekart einen Volltreffer in den Visierschlitz.

Der Krieger blieb schlagartig stehen. Kilian grinste hämisch. Er erwar­tete, seinen Gegner im nächsten Moment umfallen zu sehen. Ihm blieb das Lachen allerdings im Halse stecken. Der Krieger griff einfach nach oben und zog den Pfeil mit einem Ruck heraus – sein milchig weißer Augapfel hing noch an dessen Spitze. Kein Blut quoll aus der Wunde. Überhaupt wirkte der Krieger nicht, als würde ihn der Verlust seines Auges irgendwie tangieren.

Der Krieger trat noch einen Schritt näher, bereit, Kilian endgültig den Garaus zu machen. Eine Klinge glitt durch die Luft. Sie war kaum mehr denn ein kurzes Aufblitzen im Sonnenlicht. Der Kopf des Kriegers rollte von dessen Schultern und blieb direkt vor Kilian liegen. Der Visierschlitz stand offen.

Dieser Anblick sollte Kilian noch in seinen Albträumen verfolgen. Vor ihm lag der Kopf eines alten Mannes. Die Haut war faltig wie Pergament, die Gesichtszüge wirkten eingefallen. Doch am schlimmsten war der Ausdruck in dem einen unversehrten Auge. Es starrte mit Qual zu Kilian hoch. Immer noch erfüllte Leben dieses zerfallende Fleisch. Seine Lippen bewegten sich ständig, als wollte er irgendetwas sagen. Der Mann war bereits eine ganze Weile tot. Dennoch lief er herum und kämpfte wie ein Berserker.

Kilian sah auf. Neben ihm stand Quan. Der östliche Schwertkämpfer trat einmal kräftig zu. Erst in dem Moment, als der Schädelknochen des untoten Kriegers mit hörbarem Knirschen brach und das Gehirn des Mannes zermalmt wurde, stürzte auch dessen Körper und blieb endlich reglos liegen.

Quan reichte Kilian die Hand, der sie fest ergriff. »Kelgan?«, schrie er. »Die Köpfe. Mach Mus aus dem Gehirn, was anderes wirkt nicht!«

Kelgan ließ sich das nicht zweimal sagen. Er trat zwei Schritte zurück und holte mit seiner mächtigen Axt zu einem gewaltigen Schlag aus, mit dem er Helm und Schädel des Gegners zu seiner Rechten zertrüm­merte.

Sein anderer Gegner zeigte keinerlei Anzeichen von Unsicherheit, angesichts des unschönen Endes zweier seiner Gefährten. Er stieß mit der Klinge behände zu und hätte Kelgan um ein Haar aufgespießt. Dieser wich jedoch zur Seite aus, schwang den Stiel seiner Axt und holte den Mann von den Beinen. Der stürzte scheppernd zu Boden. Kelgan pflanzte seinen Fuß auf dessen Brust, hob die Axt und ließ sie krachend auf den Helm des Kriegers niedersausen.

Kilian zuckte zusammen aufgrund des haarsträubenden Geräusches, das Helm und Kopf machten, als sie gemeinsam zerbarsten.

Ekart spickte währenddessen den letzten Angreifer mit Pfeilen, was diesen nicht im Geringsten störte. Zu ihrer aller Entsetzen stieß er die Klinge der Frau beiseite und rammte ihr das eigene Schwert in den Bauch. Kilian, Kelgan und Quan rannten auf den Mann zu, um diesen zu stellen. Doch der Krieger steckte ungerührt einfach sein Schwert zurück in die Scheide, lief auf die nächste Wand zu und sprang in die Höhe. Der Mann krallte sich mit beiden Händen in den Mörtel und krabbelte wie eine Spinne daran hoch, bis er das Dach erreicht hatte.

Dort drehte er sich noch einmal um. Das unangenehme Gefühl über­kam Kilian, dass sich der Kerl gerade köstlich über sie amüsierte. Der Krieger hob beide Hände und nahm den Helm ab. Kilian verzog angewi­dert das Gesicht. Der Mann auf dem Dach war ebenfalls kein Mensch mehr. Die weißen, toten Augen des Kriegers starrten Kilian aus einem einbalsamierten Gesicht ausdruckslos an. Eine bösartig aussehende Nar­be, die er sich zu Lebzeiten zugezogen haben musste, zog sich vom linken Scheitel quer über das Gesicht und den Nasenrücken bis zum rechten Kieferknochen. Gut möglich, dass es dieser Hieb gewesen war, der den Mann das Leben gekostet hatte. Das unangenehme Gefühl überkam ihn, gerade begutachtet und beurteilt zu werden. Mit einem Mal setzte der Krieger seinen Helm wieder auf, drehte sich um und war mit wenigen Sätzen auch schon verschwunden.

Die Söldner versammelten sich um die gestürzte Frau. Kilian ging in die Knie und berührte sie sanft an der Schulter. Sie bewegte sich schwach. »Sie lebt noch«, brachte Kelgan ungläubig hervor.

»Sicher nicht mehr lange«, meinte Ekart. »Die Wunde sieht übel aus.« »Wir nehmen sie mit«, beschied Kilian. »Hier wird sich niemand um sie kümmern und wir können sie unmöglich im Dreck liegen lassen.«

»Sie wird die Rückreise zum Lager kaum überstehen«, gab Kelgan zu bedenken.

»Ich weiß«, erwiderte Kilian, »aber wir nehmen sie trotzdem mit. Mehr können wir kaum für sie tun.«

Quan hob eine Augenbraue und musterte Kilian mit undeutbarem Gesichtsausdruck. »Erzählst du mir jetzt, was hier eigentlich vor sich geht und warum ihr euch mit den Kerlen in Schwarz geprügelt habt?« Kilian seufzte. »Ich verspreche, du bist der Zweite, der es erfährt – gleich nach mir.«


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